Nachdem das Bundeswirtschaftsministerium bereits im Oktober des vergangenen Jahres in einem Grünbuch die Weichen für die künftige Gestaltung des Strommarkts gestellt hatte, blieb noch eine systementscheidende Frage offen. Wenngleich die Präferenz des Ministeriums deutlich herauszulesen war, eröffnete das Grünbuch eine Grundsatzdebatte über die Weiterentwicklung des bestehenden sog. Energy-Only-Markts oder die Einführung sog. Kapazitätsmärkte. Beide Varianten stehen in einem Entweder-Oder-Verhältnis zueinander.
Im gestern veröffentlichten Weißbuch spricht sich das BMWi nun – absehbar – klar gegen Kapazitätsmärkte aus. In die Erstellung des Textes seien ca. 700 Stellungnahmen von Verbände, Behörden, Verbänden, Gewerkschaften, Unternehmen und Bürgern eingegangen. Er definiert drei wesentliche Säulen, auf denen das künftige Strommarktdesign aufruhen soll: 1 Stärkere Marktmechanismen, 2 flexible und effiziente Stromversorgung und 3 zusätzliche Absicherung.
Entscheidendes Gestaltungsprinzip des sog. Strommarkt 2.0 ist die konsequente Ausrichtung auf einen zentralen Preisbildungsmechanismus, dessen Knappheitssignale künftig möglichst unverfälscht bei den Erzeugern und Verbrauchern von Strom ankommen sollen. Dahin, dass diese Preiswirkung wirklich entfaltet werden kann, ist es aber noch ein ausgesprochen langer Weg, der eine umfassende Revision der gesamten Stromnebenkostensystematik erfordert.
Der vorgeschlagene Strommarkt 2.0 soll eine möglichst effiziente zeitliche Synchronität von Erzeugung und Verbrauch sicherstellen. Hinsichtlich räumlicher Synchronität ist er allerdings blind. Das heißt, der Marktmechanismus unterstellt (schon heute teilweise kontrafaktisch) die Verfügbarkeit einer gehandelten Strommenge an allen Anschlussstellen an das öffentliche Stromnetz.
Anstelle eines Kapazitätsmarkts soll künftig eine Reihe von Sicherheitsvorkehrungen garantieren, dass die Stromversorgung auch bei weiter stark steigenden Anteilen fluktuierend einspeisender Erneuerbarer stets gewährleistet ist. Die wichtigste wird die sog. Kapazitätsreserve sein. Hier werden außerhalb des Marktgeschehens stehende Kraftwerkskapazitäten vorgehalten, die im Falle ausbleibender Markträumung einspringen sollen. Diese Reserve ist nicht zu verwechseln mit der bereits bestehenden Netzreserve, die sog. Re-Dispatch-Maßnahmen zur Behebung von Netzengpasssituationen dient, wenn die o.g. Annahme steter ubiquitärer Verfügbarkeit der Handelsmengen nicht zutrifft und entsprechend netzsteuernd eingegriffen werden muss.
Aus dem Weißbuch wird in nächster Zukunft eine Reihe von Gesetzes- und Verordnungsnovellen hervorgehen, dein ihrer Summe zu einer erheblichen Veränderung der Spielregeln auf dem Strommarkt führen werden.